Blog

Psychoterror kann eine einstweilige Verfügung rechtfertigen

Einordnung und Einleitung

Die gegenständliche Entscheidung des Obersten Gerichtshofs ist für Beziehungen besonders relevant, weil sie klarstellt: Auch „Psychoterror“ (psychische Gewalt) kann – ohne körperliche Gewalt – eine einstweilige Verfügung samt Wohnungsverweis rechtfertigen, wenn das Verhalten die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigt und das Zusammenleben unzumutbar macht.

Entscheidend ist dabei nicht eine abstrakte „Durchschnittssicht“, sondern die konkrete Wirkung auf die betroffene Person – gleichzeitig reicht „normale“ Trennungs- bzw. Scheidungsbelastung dafür regelmäßig nicht aus.

Sachverhalt

Zwischen den Ehegatten war seit Oktober 2024 ein Scheidungsverfahren anhängig. Der Ehemann begehrte eine einstweilige Verfügung gegen seine Ehefrau. Die Antragsgegnerin (Ehefrau) versuchte laut Feststellungen, den Antragsteller (Ehemann) zu provozieren und unter Druck zu setzen, um sich im Scheidungsverfahren Vorteile zu verschaffen:

  • Sie versteckte regelmäßig Gegenstände des Antragstellers (Skihelm, Skibrille, Laptops, Sonnenbrillen).
  • Sie verstopfte bei berufsbedingter Abwesenheit des Antragstellers Abflüsse im Haus.
  • Sie ließ Haushaltsarbeiten unbeendet, damit der Antragsteller nach seiner Rückkehr mehr Arbeit hatte.
  • Sie führte stets ihr Handy mit, um heimlich Audiodateien vom Antragsteller anzufertigen.
  • Sie fertigte ein- bis zweimal pro Woche ungewollt Fotos von ihm an, um ihn in nachteiligen Situationen darzustellen. Beispielsweise fotografierte sie ihn einmal, Bier trinkend beim Abendessen, um ihn als Alkoholiker darzustellen.
  • Sie hatte unberechtigterweise Zugriff auf sein Email- und Amazon-Konto und bestellte in seinem Namen Reizwäsche, um Screenshots davon im Scheidungsverfahren vorzulegen.

Der Antragsteller litt infolge dieser Handlungen unter Schlafstörungen, Zittern und Herzrasen.

Das Erstgericht erließ eine einstweilige Verfügung, wonach der Antragsgegnerin das Verlassen der Wohnung und der Kontakt mit dem Antragsteller untersagt wurden. Das Rekursgericht bestätigte diese Entscheidung.

Ergebnis

Der OGH hielt fest, dass die Ausübung von „Psychoterror“ eine einstweilige Verfügung rechtfertigen kann, wenn die psychische Gesundheit der gefährdeten Partei erheblich beeinträchtigt wird. Er bekräftigte, dass nicht nur körperliche Angriffe oder Drohungen erfasst sind, sondern auch andere Verhaltensweisen, wenn diese eine Schwere erreichen, die die Maßnahme (einstweilige Verfügung) angemessen erscheinen lässt. Maßgeblich sei die subjektive Wirkung des Verhaltens auf die gefährdete Person, nicht ein objektiver Maßstab.

Was versteht man unter "Psychoterror"?

"Psychoterror“ kein eigener gesetzlich definierter Begriff (es gibt auch kein eigener Straftatbestand mit diesem Namen). Der Ausdruck wird aber umgangssprachlich als Kurzform für schwere psychische Gewalt bzw. ein Verhalten, das die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigt, verwendet.

Spielt „Psychoterror“ im Gewaltschutzrecht eine Rolle?

Ja. Für eine einstweilige Verfügung kann relevant sein, ob jemand durch körperlichen Angriff, Drohung oder ein die psychische Gesundheit erheblich beeinträchtigendes Verhalten das Zusammenleben/Zusammentreffen unzumutbar macht.

Welche typischen Beispiele können „Psychoterror“ sein?

Typische Beispiele (je nach Intensität und Häufigkeit) können sein:

  • Dauernde Abwertungen, Beschimpfungen, Demütigungen

  • Kontrolle bzw. Überwachung (zB ständiges "checken", wo Sie sind)

  • Isolieren (Kontakt zu Freunden und/oder Familie gezielt verhindern)

  • Druck, Nötigungen, Drohungen (auch indirekt, zB „ich ruinier dich“, „ich nehm dir die Kinder weg“, "ich mach dich fertig")

  • Ständige Kontaktaufnahmen oder Belästigungen nach Trennung, die den Alltag unzumutbar beeinträchtigen.

Wichtig: Es kommt immer auf Einzelfall, die Häufigkeit und die Wirkung an, ob etwas als "Psychoterror" zu qualifizieren ist und daher rechtliche Schutzmaßnahmen rechtfertigen kann.

Was zählt eher nicht als Psychoterror?

Nicht jede "schwierige" Trennung oder jeder Streit reicht: Der OGH betont, dass die „übliche“ nervliche Belastung eines Konflikts oder ihm Rahmen eines Scheidungsverfahrens für sich noch keine erhebliche Beeinträchtigung der psychischen Gesundheit sein muss – entscheidend sind Schwere und konkrete Umstände.

Muss die Polizei schon (vorab) eingeschritten sein, um eine Einstweilige Verfügung erwirken zu können?

Nein. Eine einstweilige Verfügung kann auch ohne vorheriges polizeiliches Betretungs-/Annäherungsverbot beantragt werden.

Was kann als Nachweis helfen?

Hilfreich (iS der Beweisbarkeit) können sein:

  • Gedächtnisprotokolle (Datum, Uhrzeit, Ort, was passiert ist, Wirkung)

  • Screenshots, Chatverläufe, E-Mails, Anruflisten, Fotos

  • Zeugen (Nachbarn, Familie, sonstige Zeugen)

  • Ärztliche Befunde über die Auswirkungen (Schlafstörungen, Angstzustände etc.)

     
    Formular schließen | Zur Startseite